Der Schriftzug THE HOUSE OF CRAFT steht auf der Plastiktasche des
Schweizer Heimatwerks.In dieser Tasche ging eine Archiv-schachtel zwei
Jahre lang auf Reisen durch die ganze Schweiz. VonSt. Gallen über Bern
bis Genf bildete die Tasche die Schutzhülle für ein
grenzüberschreitendes Kunstprojekt. Die Beteiligten kamen aus
Österreich, der Schweiz und aus dem Fürstentum Liechtenstein. Die
Mitwirkenden waren Archivarinnen und Archivare, Bibliothekarinnen und
Bibliothekare des Masterstudienlehrgangs MAS AIS – Master of archival
and information sciences. Ideengeber und Initiator des Projekts war der
in Vorarlberg lebende Künstler Georg Vith. Die Kommunikation und
Verbindung oblag dem im Liechtensteinischen Landesarchiv tätigen
Archivar Rupert Tiefenthaler. Der Rahmen des Projekts war der Kurs
MAS AIS an den Universitäten Bern und Lausanne in der Zeit vom 22.
Oktober 2008 bis 31. Juli 2010. Dieser Kurs war während zweier Jahre die
Schaltstelle für den Austausch von Kunstfertigkeit, Geschicklichkeit
und Wissen – eben ein HOUSE OF CRAFT. Die Reflexion des eigenen
Berufs als Archivar, Bibliothekar oder Informationswissenschaftler
bildete das Kernanliegen des Kurses. Neben den rechtlichen und
technischen Grundlagen beschäftigten sich die Teilnehmer auch mit der
gesellschaftlichen und politischen Bedeutung des Berufsstands. Wie aber
dieses Kursgeschehen selbst nochmals reflektieren? Der Künstler Georg
Vith bot mit dem Projekt „Archiv Archiv“ eine Metaebene für die
Teilnehmer. Er schuf eine Archivbox. Konstruiert aus Karton, Leinen
und Leim entsprach die Box nicht unbedingt den archivischen Normen für
die alterungsbeständige, konservatorisch günstige Unterbringung der
Gegenstände. Dafür aber war sie stabil. Ihre Abmessung in Breite und
Höhe orientierte sich am Kreditkartenformat. Die Schachtel beinhaltete
einige Zeichnungen von Vith, eingeschweisst in Folie. Kreditkartengrosse
Kunst – für den Alltag, für die Geldtasche, für den Bürotisch.
Zeichnungen, Collagen aus farbkopierten historischen Plänen oder
überzeichneten Fotos bildeten den Anfangsbestand des „Archiv Archivs“. Die
Archivbox zirkulierte zwischen den MAS AIS – Teilnehmern. Diese füllten
sie mit Gegenständen aus ihrem Alltag und ihrer Arbeit. Sie schufen
damit einen weiteren Teil des „Archivbestands“. Zweckfrei, ohne direkten
Nutzen für den Kurs- und Arbeitsalltag, investierten die Beteiligten
Ideen, Witz und Humor. Die Archivbox füllte sich. Visitenkarten und
abgelaufene Halbtax-Abonnements fanden ebenso Eingang wie kunstvoll
gestaltete Karten, Fotos von Archivalien, Sinnsprüche, Zeitungs- und
Stadtplanausschnitte, Bierdeckel und Ausstellungs-Buttons,
WM-Sammelbildchen und eine Häkeltasche. Zufälliges, Nebensächliches fand
Berücksichtigung. Zur Zirkulation der Archivbox zwischen den
Kursteilnehmern kam eine weitere Ebene hinzu. Die Kommunikation zwischen
dem Künstler und den Kursteilnehmern brachte ein neues Element ein.
Georg Vith sandte seine neu geschaffenen Bilder fortlaufend an den
gerade aktuellen Inhaber der Archivbox, mit der Bitte, die neuen Bilder
im Bestand zu ergänzen. Der Erhalt sollte durch eine
Akzessionsbestätigung per Brief ausgewiesen werden – was leider
unterblieb. Weiters waren die Teilnehmer angehalten, in
elektronischer Form ein Bild ihres Büros an den Künstler zu schicken.
Die Kommunikation gelang und Georg Vith überzeichnete die eingetroffenen
Bilddateien. Auch diese Bilder fanden Eingang in den Bestand der
Archivbox. Da sich die Teilnehmer darin wiedererkannten, fanden die
Bürobilder den grössten Anklang. Unter dem Motto „Bring Kunst in
deinen Alltag und deinen Alltag in die Kunst“ überwanden die MAS
AIS-Teilnehmer die blosse Phase der Rezeptivität. Alltägliches,
Ephemeres, Übersehenes wurde dank der eigenen Kreativität mit Bedeutung
aufgeladen. Welche Bedeutung? Indem die Beteiligten etwas aus ihrem
Alltag in die Archivbox beisteuerten, fand etwas Privates Eingang in den
quasi „öffentlichen Raum“. So wurde gerätselt, was denn am Schluss mit
der Box geschehe. Von Ausstellung bis hin zum Vergraben reichten die
Vorstellungen der Teilnehmer. Und es war immer wieder die Frage, was
denn nun in die Box zu geben sei, ausser den von Georg Vith gelieferten
Bildern. Für den Künstler wiederum war es ungewiss, wie seine
Zeichnungen aufgenommen wurden. Für ihn war nicht sosehr der
Produktionsprozess zentral, sondern das Loslassen, die Endgültigkeit der
Weggabe der Bilder. Über zwei Jahre bekam er sie nicht mehr zu Gesicht.
Die Verbindlichkeit hat durch den Postweg und durch die Aufbewahrung im
Archiv – in einem von Archivaren und Bibliothekaren verwalteten Archiv –
sich schlagartig erhöht. Der Abstand durch die Reise der Archivbox
schuf eine neue Nähe zu den eigenen Bildern. Die Bilder von Georg
Vith sind Konzentrate. Mittels einer selbst gebauten Camera Obscura
reduziert er die Wahrnehmungsinhalte auf das Wesentliche. Umrisse,
Schatten bekommen ein anderes Gewicht. Der Blick mit der Camera stellt
die Dinge auf den Kopf. Und genau dies ermöglicht einen neuen Zugang zum
Wahrgenommenen. Ebenso verhielt es sich mit dem „Archiv Archiv“. Es
stellte den Lernalltag in einen Kontext ausserhalb der
Zweckrationalität. Zudem verband es Inhalte, die anders wohl nicht
zusammengetroffen wären. Nota bene: für den Künstler zählte der Abstand
zu seinen Zeichnungen, für die beteiligten Archivare und Bibliothekare
dagegen war es die Nähe zum eigenen persönlichen Umfeld, welche ihre
Beiträge wertvoll machte. Die Zeichnungen der Büros der Teilnehmer
veranschaulicht die Digitalisierung der heutigen Lebens- und
Arbeitswelt. Egal wie verschieden die einzelnen Arbeitsplätze sind,
überall finden sich im Zentrum ein Bildschirm und ein Computer. Statt
Arbeitsmittel sind sie die bestimmenden Elemente des Arbeitsalltags. Die
Ebenen der Kunstproduktion und der Kommunikation überlagerte Vith
nochmals um die Ebene der Repräsentation. Er dokumentierte seinen
Schaffensprozess und fotografierte die von ihm gezeichneten Bilder. So
schuf er ein digitales Bildarchiv, das parallel zum „Archiv Archiv“
entstand. Die mehrfachen Ebenen, der offene Ausgang des Projekts –
es wusste ja niemand, was daraus wird, was am Schluss stehen sollte, ob
die Archivbox den Staffellauf über die Zeit hinweg übersteht – ist das
Überliefernswerte. Doch wie diese Offenheit behalten? Durch die
Vergegenwärtigung, wodurch etwas Bedeutung für uns erhält. So ist
vorliegender Katalog nicht Resultat, sondern Sprungbrett – in die
Vielschichtigkeit der Realität. Das Archiv ist der vordergründige Ort,
wo sich die Spuren dieser Vielschichtigkeit organisch sammeln und
organisieren.
Archiv Archiv 2008-2010 Rupert Tiefenthaler / Übersetzung Axl Zwahlen, Bern
Dans un sac plastique „Schweizer Heimatwerk“, orné du logo THE HOUSE OF
CRAFT, une boîte d‘archives parcourut la Suisse pendant un an. De St.
Gall à Genève en passant par Berne, ce sac protégea un projet
artistique transfrontalière. Les participants venaient d’Autriche, de
Suisse et de la Principauté du Liechtenstein. C’était des archivistes et
des bibliothécaires participant au programme de formation continue en
archivistique, en bibliothéconomie et en sciences de l‘information (MAS
AIS – Master of archival and information sciences). L‘instigateur était
l’artiste vorarlbergois Georg Vith. La communication incombait à Rupert
Tiefenthaler, archiviste auprès du Liechtensteinisches Landesarchiv qui
agit aussi comme intermédiaire. Ce projet fut réalisé dans le
cadre de la deuxième édition du cours MAS AIS, mené par les universités
de Berne et Lausanne du 22 octobre 2008 au 31 juillet 2010. Pendant deux
ans ce cours servit d’interface pour un échange de compétences, de
dextérité et de savoir – une vraie HOUSE OF CRAFT.
La réflexion
sur le métier d‘archiviste, de bibliothécaire ou de scientifique en
information forma le cœur du cours. A côté des bases légales et
techniques, les participants se familiarisèrent également avec les
aspects sociaux et politiques de leur profession. Mais comment faut-il
refléter ces thèmes pour soi-même? En proposant l’ „Archiv Archiv“,
l’artiste Georg Vith offrit un espace entre les différentes couches. Il
créa une boîte d‘archives. Fabriquée avec du contreplaqué, du carton,
du lin et de la colle, la boîte ne respectait guère les normes
archivistiques pour la conservation à long terme des différents objets.
Mais elle était stable. Ses dimensions s’orientaient vers le format des
cartes de crédit. La boîte contenait quelques dessins de Vith, emballés
sous vide. De l’art en forme de carte de crédit – pour le quotidien, le
porte-monnaie, le bureau. Des dessins, des collages composés de plans
historiques photocopiés ou de photos retravaillées formaient le contenu
initial de l’ „Archiv Archiv“.
La boîte aux archives circula
entre les membres du cours MAS AIS. Ceux-ci la remplirent avec des
objets de leur quotidien et de leur travail, en sorte qu’ils créèrent
une nouvelle partie du „fonds d‘archives“. Sans objectif précis, sans
bénéfice direct pour le cours ou le travail quotidien, les participants
apportèrent des idées, de l’esprit et de l’humour. La boîte aux archives
se rempli. Des cartes de visite et des abonnements de demi-tarif y
prirent place, de même que des cartes dessinées de manière artistique,
des photographies de pièces d‘archives, de bons mots, d‘extraits d’un
journal ou d’un plan de ville, de dessous de verre, de cartes d’entrée,
d‘autocollants ou encore d‘un sac crocheté. Le hasard et le superflu
furent pris en compte. A côté de la circulation de la boîte
entre les participants, un autre aspect fit son apparition: la
communication entre l’artiste et les participants se manifesta comme
nouvelle élément. Georg Vith envoya ses nouvelles images au fur et à
mesure au détenteur de la boîte, lui demandant d’y ajouter les nouvelles
œuvres. La réception devait être confirmée par lettre – ce que
malheureusement personne ne fit. En outre les participants
furent incités à envoyer à l’artiste une image numérique de leurs
bureaux. La communication s’instaura avec succès et l’artiste
retravailla les photographies reçues. Ces photographies furent également
ajoutées à la boîte. Comme les participants s’y reconnurent, les images
des bureaux furent bien accueillis. Sous la devise „Mets de l´art
dans ton quotidien, et du quotidien dans ton art“ les participants du
MAS AIS dépassèrent la phase de la pure réceptivité. Le quotidien,
l’éphémère, ce qu‘on ne voit pas, tout cela se chargea de signification
grâce à la créativité. Mais quelle signification? En apportant
quelque chose de leur vie quotidien, quelque chose de privé accéda à
„l’espace publique“. Ainsi, on se creusa la tête pour savoir se qui
adviendrait finalement de la boîte. Les idées des participants allèrent
de l’enterrement jusqu’à l’exposition de la boîte. Et toujours revenait
la question de ce qu‘il fallait y ajouter, en dehors des images de Georg
Vith.
Pour l’artiste, par contre, la question de la réception de
ses dessins ètait incertaine. Ce qui était central pour lui, ce n‘était
pas tellement le fait de produire des images, mais plutôt de les
laisser s‘en aller, de les abandonner irrémédiablement. Pendant deux ans
il n‘eut plus l‘occasion de les voir. En utilisant la poste et la
conservation dans l’archive – une archive gérée par des archivistes et
bibliothécaires – la complaisance se multiplia. La distance causée par
le voyage de la boîte d‘archives créa une nouvelle proximité avec ses
images. Les images de Georg Vith sont des concentrés. En utilisant
une chambre noire qu‘il a lui-même construite, il réduit les contenues
de la perception à l’essentiel. Les silhouettes, les ombres acquièrent
une autre importance. La perspective de la chambre noire renverse les
choses. Et c’est ce qui permet un nouvel accès aux objets perçus. Il
en alla de même pour l’ „Archiv Archiv“. L‘oeuvre plaça les journées
ordinaires d’études dans un contexte exempt de buts rationnels. En outre
elle amalgama des contenus qui ne se seraient pas rencontrer par
ailleurs. Nota bene : pour l’artiste, la distance avec ses images était
importante, alors que pour les archivistes et bibliothécaires impliqués,
ce fut la proximité avec l’environnement personnel qui mit en valeur
leurs contributions. Les dessins des bureaux des participants
exemplifient la numérisation de notre vie privée et du travail. Peu
importe comment se distinguent différents bureaux, partout un écran et
un ordinateur forment le centre. Au lieu d‘être des moyens de travail,
ceux-ci forment les éléments centraux de notre vie de travail quotidien. Vith
superposa les couches de la production de l’art et de la communication
encore une fois avec la couche de la représentation. Il documenta son
processus de création et photographia les dessins qu‘il faisait. De
cette manière il créa une archive numérique des images qui se forma
parallèlement à l’ „Archiv Archiv“. Cettes couches multipliées,
l’issue ouverte du projet – personne ne savait ce qui en sortirait,
comment la boîte se développerait, si elle survivrait à l‘écoulement du
temps - pour autant qu‘elle fût digne d‘être transmise de génération en
génération. Mais comment appréhender cette issue ouverte? C‘est en
réalisant les choses qu‘elles acquièrent de la signification. Le
catalogue présent n‘est dès lors pas un résultat mais un plongeoir –
dans les multiples couches de la réalité. Les archives sont la place
superficielle où les traces de cette diversité se concentrent et
s’organisent.